"Man lernt im Leben nie aus"

Mit 34 Jahren, vier wunderbaren Kindern und einer Selbständigkeit als Bügelfee, habe ich nie gedacht, dass mir so etwas passiert… Das ewige hin und her zwischen mir und meinem Freund hatte bald ein Ende, da ich ungewollt schwanger geworden bin. Ich habe doch alles, was mir etwas bedeutet, aber nun schwanger. Ne, das kann ich nicht gebrauchen, wieder von vorne anfangen, wo doch meine Kinder schon aus dem Gröbsten raus sind, die Kleinste ist schon drei und im Kindergarten und ich bin frei. Wir haben ein Auto, wo wir alle herein passen, ich bin mein eigener Herr und kein nächtliches Aufstehen oder morgens mal wieder nicht ausschlafen können.

Verdammt, wir brauchen eine Lösung. Mein Partner hat mir so viele wunderbare positive Sachen gesagt, dass ich kein Contra mehr geben konnte. Ich habe auf ihn gebaut und habe mich dazu bereit erklärt, das Kind aus Liebe zu ihm doch zubekommen. Der nächste Schock kam bei der Schwangerschaftsvorsorge, Zwillinge. Oh mein Gott, was nun? Mit zwei Babys weiter im Laden stehen und bügeln, nein das ging für mich leider nicht, denn ich konnte ihnen nicht gerecht werden. Also habe ich den Laden im Spätsommer geschlossen und ehrlich gesagt, habe ich es bereut.

So manchmal habe ich meine zwei kleinen Mäuse dafür verantwortlich gemacht, aber was konnten sie dafür .........nichts, denn zwei Erwachsene haben sich dazu entschlossen aus Liebe zu einander ein Baby, in meinem Fall zwei Babys, zu bekommen. In der 26. SSW mit dem Novo-Virus infiziert worden zu sein, hätte ich mir auch nie erträumen lassen. Mein Partner hat mich dann auch noch im Stich gelassen. Die lieblichen Wörter waren nur heiße Luft. Was ist passiert, ich habe keine Ahnung. Es rückte langsam der Tag des Kaiserschnitts immer näher, von meinem Ex doch keine Spur. Die vergangenen Wochen habe ich keine Lebenszeichen von ihm gehört.

Am 10.03.2009 kamen endlich Emilia Irmgard und Luana in der 35+3 SSW per Kaiserschnitt auf die Welt. nbsp]Meine liebste und aller beste Freundin war mit im Kreissaal. Ich hatte eine wahnsinnige Angst, weil ich mir so allein und verlassen vorkam. Doch mein Leid ging nun weiter. Luana, der zweite Zwilling wurde nur wenige Stunden nach der Geburt in ein anderes Krankenhaus verlegt und zwar in das Herzzentrum in Duisburg. Was genau mit meiner Tochter los ist, habe ich nur so halb verstanden, denn Emilia lag auch noch zwei Tage auf der Intensivstation. Ich habe die Zeit genutzt und mich mit Schmerzmitteln vollgepumpt, denn ich hatte starke Schmerzen und Angst, was doch so alles passieren würde.

Ich traute meinen Augen nicht…aber ich habe ein erstes Lebenszeichen meines ExPartners erhalten: "Sind die Kinder schon da, werde heute Abend mal vorbei kommen." Ich bin beinahe vor Wut geplatzt. Ich rief ihn an und teilte ihm mit, dass wenn er die Kinder sehen möchte, er erst zum Jugendamt gehen und sich als Vater eintragen lassen müsste. Doch ich hatte noch einen schweren Weg zu gehen. Ich habe meine Tochter Luana nach der Verabschiedung am Tag ihrer Geburt nicht mehr gesehen.

Meine liebste Freundin hat mich ins Krankenhaus begleitet. Am Krankenhaus angekommen, musste ich mich erstmal zusammen reißen, dass ich keinen Nervenzusammenbruch erlitt. Der Weg zu Luana war echt schwer, weil ich nicht wusste, was mich dort erwartet. Wir mussten in die 7. Etage, aus dem Fahrstuhl endlich herausgekommen, wurde der Gang immer schwerer, ich dachte meine Beine sind aus Blei. Der Flur war solang, ich dachte ich komme nie bei der Intensivstation an.

Hände waschen, desinfizieren, Kittel anziehen und endlich meine kleine Tochter in dem Inkubator anfassen zu können, Mensch ich hätte sie sehr gern in den Arm genommen um ihr zu sagen, dass es mir leid tut, dass ich gesagt habe, dass ich die Kinder nicht gewollt habe. Als ich sie so da liegen sah, hatte ich ein verdammt schlechtes Gewissen. Denn nun wusste ich was meine kleine, zerbrechliche Tochter hat.

Pulmonalatresie mit nicht intaktem Ventrikelseptum, so lautet die Diagnose, aber das war noch nicht genug. Ich sollte Emilia testen lassen, ob sie auch einen Gendefekt hat. Luana ist ja schon einige Tage hier im Herzzentrum und die haben sie auf den Kopf gestellt und festgestellt, dass sie den catch 22q11, mit anderen Worten, dass di george syndrom hat. Ich musste mich erstmal sammeln, denn ich kannte mich in solchen Sachen nicht aus. Total  niedergeschmettert fuhren wir wieder nach Hause.

Ich habe mir zur Angewohnheit gemacht, morgens und abends zu duschen und unter der Dusche meine Emotionen fließen zulassen, so wurden sie wenigstens für eine gewisse Zeit vertrieben, denn ich konnte es mir nicht erlauben schwach zu werden, denn ich habe ja letztendlich Verantwortung für fünf Kinder, die zu Hause leben, die mich auch fordern und denen ich nicht die ganze Wahrheit über Luanas Krankheit gesagt habe. Ich habe mich sehr schnell damit abgefunden, dass meine zerbrechliche kleine Luana behindert ist. Eher, als das ich sie verlieren würde.

Die täglichen Besuchsfahrten bei meiner Tochter wurden schon langsam zur Routine, denn es gehörte zu meinem neuen veränderten Leben. Das Herzzentrum empfiehl mir, mich bei dem Bunten Kreis in Duisburg vorzustellen und die würden mir schon mal so einige Wege abnehmen. Ich dachte ich brauche keine Hilfe, ich würde schon alles alleine bewältigen, aber bei diesen ganzen Sachen blickte ich nicht mehr durch. Ich musste mir doch echt mal eingestehen, dass ich Hilfe brauche, denn wer kennt sich schon mit solchen Dingen aus. Zumal wird dieser Verein auch noch von der Krankenkasse getragen. Nun hatte ich Kontakt zum Bunten Kreis und die zwei netten Damen waren für mich helfende Elfen, denn ihr Wissen bedeutet mehr Macht, mehr Macht für mich, denn Wissen ist Macht. Ich finde man lernt im Leben nie aus. Selbst in so einer Situation nicht.

Meine helfenden Elfen haben eine Menge für mich erreicht, denn Bürokratie war noch nie meine Stärke, das muss sie auch nicht, denn ich bin sehr froh darüber, dass man mir diese ganzen Sachen abgenommen hat. Wir standen im ständigen telefonischen, persönlichen und Email-Kontakt. Sie haben mir eine Menge abgenommen und ich bin ihnen und dem Verein sehr dankbar für ihre Hilfe. Wir haben bei der Krankenkasse noch mal einen Antrag auf Verlängerung beantrag undbewilligt bekommen. Selbst bei einem Besuch beim Kinderarzt war jemand anwesend und hat mir noch eine Hilfestellung gegeben. 

Ich bedanke mich hier an dieser Stelle noch mal bei dem Bunten Kreis aus Duisburg, allen MitarbeiterInnen ein großes Lob für ihre Arbeit, denn es ist auch für sie manchmal nicht einfach, wenn da jemand sitz, der am Boden zerstört ist, weil das Krankheitsbild des Kindes einem doch sehr zuschaffen macht und wir sie zu unseren mitbetroffenen Menschen machen. Eines kann ich wirklich nur aus eigener Erfahrung sagen, irgendwann kommt jeder Mal an seine Grenzen und manche Dinge sollte man eben nur Menschen überlassen, die sich täglich damit beschäftigen und sich daher damit auskennen.

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